Verlangsamtes Wachstum der Schweizer Wirtschaft

Bern, 18.09.2012 - Konjunkturprognosen der Expertengruppe des Bundes – Herbst 2012*. Auch in der Schweiz ist die internationale Konjunkturabkühlung angekommen. Angesichts des gedämpften weltwirtschaftlichen Umfelds erwartet die Expertengruppe des Bundes für die kommenden Quartale eine Fortsetzung der verhaltenen Konjunktur mit leicht zunehmender Arbeitslosigkeit. Mit einer ausgeprägten Rezession in der Schweiz ist jedoch dank der robusten Binnenkonjunktur sowie der stabilisierenden Wirkung der Euro-Untergrenze für die Exportwirtschaft nicht zu rechnen. Für 2012 wird ein BIP-Wachstum von 1,0% prognostiziert, für 2013 unter der Voraussetzung einer sich erholenden Weltkonjunktur eine leichte Beschleunigung auf 1,4%. Die Risiken für eine weitere Eskalation der Schuldenkrise im Euroraum dürften sich mit den jüngsten Entscheiden der EZB zwar verringert haben, sind jedoch noch nicht gebannt.

Internationale Konjunktur
Die Schwächesignale von der internationalen Konjunktur haben sich in den letzten Monaten weiter ausgedehnt. Vor allem im Euroraum lähmt die Staatsschuldenkrise die Wirtschaftsentwicklung in zunehmendem Masse. Während sich Italien, Spanien und weitere Länder unverändert in einer schweren Rezession befinden, geraten nunmehr auch die wachstumsstärkeren Länder des Euroraums, namentlich Deutschland, zusehends in den konjunkturellen Abwärtssog. Auch in Asien hinterlassen die nachlassenden Impulse vom globalen Handel in vielen Ländern deutliche Bremsspuren.

Die Konjunkturperspektiven für das kommende Jahr hängen stark von der weiteren Entwicklung der Staatsschuldenkrise im Euroraum und den daraus folgenden Konsequenzen ab. Mit den jüngsten Entscheiden der Europäischen Zentralbank (EZB), notfalls in unbeschränktem Masse Staatsanleihen der Krisenländer am Sekundärmarkt zu kaufen, um deren Zinskosten zu senken, dürfte sich die Gefahr einer weiteren Eskalation verringert haben. Eine gewisse Beruhigung ist eingekehrt, da die Beschlüsse ein klares Bekenntnis darstellen, dass die Krise mit allen Mitteln eingedämmt werden soll. Aber auch im Falle einer anhaltenden Beruhigung an den Finanzmärkten wird sich der Euroraum wohl nur langsam aus der Rezession lösen können, weil vor allem in den südeuropäischen Ländern die anspruchsvollen fiskalpolitischen Konsolidierungsmassnahmen sowie die Anpassungsprozesse im privaten Sektor weiterhin dämpfend wirken.

Die aussereuropäischen Weltregionen sollten ihre Konjunkturdelle im kommenden Jahr wieder überwinden können. Die gehäuften Schwächesignale aus China wecken zwar Ängste, dass nunmehr auch der bislang stabilste Stützpfeiler der fragilen Weltkonjunktur brüchig werden könnte. Gegen einen ausgeprägten Abschwung („hard landing“) in China spricht allerdings, dass die chinesische Politik den Willen und die finanziellen Ressourcen hat, die Banken, den Immobilienmarkt und die Konjunktur zu stabilisieren. In den USA erscheint die Fortsetzung der – ohnehin nur moderaten – wirtschaftlichen Expansion bislang nicht ernsthaft in Frage gestellt, weil der Abkühlung in der Industrie die fortschreitende Erholung des krisengeschüttelten Bau- und Immobiliensektors gegenüberstehen. Gleichwohl hat die US-Notenbank angesichts des aus ihrer Sicht zu langsamen Wachstums und der unbefriedigenden Arbeitsmarktlage weitere expansive geldpolitische Massnahmen zur Ankurbelung der Wirtschaft beschlossen, namentlich den Kauf von hypothekenbesicherten Anleihen sowie die Beibehaltung des niedrigen Leitzinses bis mindestens 2015.

Konjunkturprognose Schweiz
Auch in der Schweiz ist die internationale Konjunkturabkühlung angekommen. Nach einem relativ guten 1. Quartal 2012 schwächte sich das BIP-Wachstum im 2. Quartal ab. Die Wirtschaftsentwicklung ist durch grosse Divergenzen zwischen immer noch relativ gut laufenden Binnensektoren (konsumnahe Bereiche, inlandorientierte Dienstleistungen) und unter erhöhtem Anpassungsdruck stehenden Exportsektoren (Industrie und Tourismus) geprägt. Massgeblich gestützt wird die Konjunktur im Inland durch die historisch tiefen Zinsen, die rückläufigen Konsumentenpreise (mit positiver Wirkung auf die realen Haushaltseinkommen) und die stetige Zuwanderung.

Demgegenüber präsentieren sich die Exportaussichten weiterhin gedrückt, zumal die internationale Konjunkturschwäche nunmehr auch bislang robuste Märkte wie Deutschland und Asien erfasst hat. Umso wichtiger ist vor diesem Hintergrund, dass sich die Währungssituation dank der vor gut einem Jahr eingeführten Euro-Untergrenze durch die SNB leicht entschärft hat. Der Franken hat sich gegenüber dem schwächelnden Euro nicht weiter aufgewertet und gegenüber anderen Währungen wie dem US-Dollar sowie vielen asiatischen Währungen sogar etwas abgewertet. Die Wechselkursuntergrenze trägt somit massgeblich dazu bei, die Rahmenbedingungen für die Exportwirtschaft zu verstetigen und erträglich zu halten.

Insgesamt geht die Expertengruppe davon aus, dass sich die schweizerische Konjunktur auch in den kommenden Quartalen nur verhalten entwickeln dürfte. Mit einer Rezession (deutlicher BIP-Rückgang über mehrere Quartale) ist jedoch dank der robusten Binnenkonjunktur sowie der stabilisierenden Wirkung der Euro-Untergrenze für die Exportwirtschaft nicht zu rechnen. Die aktuellen Konjunkturumfragen zeigen insbesondere für die Industrie erwartungsgemäss ein gedämpftes Stimmungsbild, aber keine krisenhafte Verschlechterung.

Für das Gesamtjahr 2012 erwartet die Expertengruppe ein moderates BIP-Wachstum von 1,0% (bisherige Prognose vom Juni 2012: 1,4%). Damit hält sich die Schweizer Wirtschaft trotz unverkennbarer Abschwächung im europäischen Quervergleich weiterhin überdurchschnittlich gut. Die leichte Prognosekorrektur nach unten im Vergleich zur Juni-Prognose ist zum einen durch die nochmals ungünstigere Einschätzung des internationalen Konjunkturumfelds begründet. Daneben trägt auch die jüngste Revision der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung dazu bei; gemäss den revidierten Daten resultiert für Anfang 2012 ein weniger starkes Wachstum als bislang ausgewiesen, was den Jahresdurchschnitt 2012 nach unten drückt. Die Einschätzung für 2013 bleibt nahezu unverändert. Unter der Voraussetzung einer allmählichen Stabilisierung der Wirtschafts- und Finanzlage im Euroraum dürften sich die Perspektiven für die Exportwirtschaft aufhellen und der Schweizer Konjunkturmotor wieder Fahrt aufnehmen. In einem solchen Szenario, wird für 2013 ein Jahreswachstum von  1,4% (bisher 1,5%) erwartet.

Erwartungsgemäss greift die konjunkturelle Abkühlung langsam auch auf den Arbeitsmarkt über. Die Arbeitslosigkeit zeigte in den ersten acht Monaten dieses Jahres eine leicht steigende Tendenz; die saisonbereinigte Arbeitslosenquote stieg seit Anfang Jahr von 2,8 auf 2,9% Ende August. Angesichts der vorerst bescheidenen Konjunkturerwartungen dürfte die Arbeitslosigkeit vorerst weiter zunehmen, insbesondere in Wirtschaftsbereichen mit konjunkturellen oder strukturellen Problemen (wie in Teilen der Exportindustrie, im Tourismus, aber auch im Finanzsektor), ehe es im Verlauf des kommenden Jahres zu einer Stabilisierung kommt. Im Jahresdurchschnitt rechnet die Expertengruppe mit Arbeitslosenquoten von 2,9% für 2012 sowie 3,3% für 2013**.

Konjunkturrisiken
Die internationale Konjunktur bleibt fragil und mit vielen Unsicherheiten behaftet. Das in den vergangenen Monaten dominierende Risiko einer weiteren Eskalation der Staatsschuldenkrise im Euroraum dürfte sich mit den jüngsten Entscheiden der EZB zwar verringert haben. Gleichwohl ist es für eine Entwarnung noch zu früh. Solange es keine klaren Reformerfolge der Krisenländer hin zu solideren Staatsfinanzen und besserer wirtschaftlicher Wettbewerbsfähigkeit gibt, ist die Euro-Schuldenkrise noch nicht gelöst und das Risiko für neuerliche Vertrauensverluste und Turbulenzen an den Finanzmärkten nicht gebannt.

Ein weiteres Konjunkturrisiko besteht in der in jüngster Zeit festzustellenden globalen Ausbreitung der Konjunkturschwäche. Angesichts der engen Handels- und Produktionsverflechtungen könnte dies den Welthandel stärker als erwartet bremsen. Falls der asiatische Wirtschaftsraum entgegen den Erwartungen anstatt einer kurzen Delle doch einen ausgeprägten wirtschaftlichen Abschwung erleiden würde, wären die nachlassenden Impulse aus dieser Wachstumsregion eine zusätzliche Belastung für die Schweizer Exportwirtschaft.         

*  Die Expertengruppe des Bundes für die Konjunkturprognosen publiziert viermal pro Jahr eine Prognose der konjunkturellen Entwicklung in der Schweiz. Die aktuelle Prognose von September 2012 wird in dieser Medienmitteilung kommentiert. Die aktuelle Ausgabe der "Konjunkturtendenzen", eine vierteljährliche Publikation des SECO, integriert diese Prognosen und vertieft weitere Aspekte der gegenwärtigen konjunkturellen Entwicklung. Diese Publikation erscheint in gedruckter Form als Beilage der Februar-, April-, Juli-, und Okto-bernummern der Zeitschrift "Die Volkswirtschaft" (www.dievolkswirtschaft.ch). Ausserdem ist sie kostenlos auf dem Internet im PDF-Format verfügbar (http://www.seco.admin.ch/themen/00374/00375/00381/index.html?lang=de).

 ** Im Juli 2012 wurde die Basis der Arbeitslosenquote an die Erwerbsbevölkerung gemäss Eidgenössischer Volkszählung 2010 des BFS angepasst. Dies hat zur Folge, dass die Arbeitslosenquote rechnerisch um rund 0,3 Prozentpunkte tiefer ausfällt als vor der Revision. So reduzierte sich die Arbeitslosenquote für 2011 von 3,1% gemäss alter Datengrundlage auf 2,8% gemäss neuer Datengrundlage. Diese Differenz ist auch beim Vergleich der aktuellen Prognosewerte für 2012 und 2013 mit denen der Juni-Prognose zu berücksichtigen.


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Letzte Änderung 30.01.2024

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