Die Unterzeichnung des Abkommens am 10. März 2024 in Delhi zwischen den Staaten der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA: Schweiz, Island, Liechtenstein und Norwegen) und Indien nach 16 Jahren Verhandlungen ist ein bedeutender Meilenstein der schweizerischen Handelspolitik. Der Schweiz und den anderen EFTA-Staaten ist es gelungen, als erster europäischer Partner ein Freihandelsabkommen (FHA) mit Indien abzuschliessen.
Freihandelsabkommen abgeschlossen, unterzeichnet am 10.03.2024
FHA EFTA-Indien – FAQ zum Abschluss der Verhandlungen
Was umfasst das Freihandelsabkommen (FHA) EFTA-Indien?
Welche Vorteile bringt das FHA für die Schweiz?
Enthält das Abkommen auch Bestimmungen zum Schutz und zur Durchsetzung des geistigen Eigentums?
Wird das FHA mit Indien den Zugang zu Generika für die Indische Bevölkerung erschweren?
Ist es opportun, gerade jetzt mit Indien ein FHA abzuschliessen? Angesichts etwa von Demokratiedefiziten oder autoritären und nationalistischen Tendenzen der aktuellen Indischen Regierung?
Wie regelt das FHA Nachhaltigkeitsfragen?
Warum haben die Verhandlungen so lange gedauert? Weshalb war es möglich, diese gerade jetzt abschliessen zu können?
Warum enthält das FHA ein Kapitel über die Investitionsförderung? Was beinhaltet es?
Wann tritt das Abkommen in Kraft?
- Das Abkommen enthält Bestimmungen zum Handel mit Industriegütern (einschliesslich Fisch und Meeresprodukte), zu verarbeiteten und unverarbeiteten Landwirtschaftsprodukten, technischen Handelshemmnissen, sanitären und phytosanitären Massnahmen, Ursprungsregeln, Handelserleichterungen, Handel mit Dienstleistungen, Schutz und Durchsetzung des geistigen Eigentums, zu Wettbewerb, öffentlichem Beschaffungswesen, Streitschlichtung und zu Handel und nachhaltiger Entwicklung. Neuland ist das Kapitel zur Investitionsförderung.
- Ausserdem wird durch das Abkommen ein institutionalisierter Dialog (Gemischter Ausschuss) etabliert, der es in Zukunft erleichtern soll, auftretende Probleme mit der indischen Seite zu besprechen.
- Das FHA wird der Schweizer Wirtschaft gegenüber ihren Konkurrenten – insbesondere jenen aus der EU – für den Moment einen wichtigen Wettbewerbsvorteil ermöglichen.
- Indien gewährt der Schweiz einen verbesserten Marktzugang im Warenverkehrsbereich für knapp 95% der bisherigen Exporte aus der Schweiz (ohne Gold), bzw. für über 95% der bisherigen Exporte von Industrieprodukten.
- Damit können die Schweizer Exporteure von jährlichen Zolleinsparungen von bis zu 166 Millionen Schweizer Franken profitieren, wobei noch verschiedene Übergangsperioden vereinbart wurden.
- Dazu einige Beispiele: Schweizer Uhren sind vollumfänglich zollbefreit. Auch für einen Grossteil der Maschinen fallen die Zölle weg. Bei den chemischen Produkten werden rund 74% zollbefreit.
- Für verarbeitete Landwirtschaftsprodukte gewährt Indien der Schweiz nach einer Übergangsperiode von bis zu 10 Jahren zollfreien Marktzugang für ausgewählte verarbeitete Landwirtschaftsprodukte u. a. für Schokolade, Kaffeekapseln und gewisse Nahrungsmittelzubereitungen.
- Im Bereich der Basisagrarprodukte gewährt Indien der Schweiz nach Übergangsfristen von bis zu 10 Jahren Zollbeseitigung für verschiedene Früchte und Gemüse und Waren pflanzlichen und tierischen Ursprungs. Für Wein offeriert Indien der Schweiz über 10 Jahre gestaffelte Zollreduktionen.
- Profitieren wird auch die Schweizer Finanz- und Versicherungsbranche: So wird beispielsweise der Anteil an ausländischem Kapital im Versicherungsbereich bis 49% ermöglicht und im Bankensektor von 51% auf 74% erhöht. Zudem erhöht das Abkommen die Rechtssicherheit.
- Das Abkommen verbessert den Schutz der Swissness für alle Waren und Dienstleistungen. Speziell geregelt wird zwischen Indien und der Schweiz die Behandlung der Swissness in Markenanmeldungen.
- Für geografische Angaben, wie zum Beispiel Bezeichnungen für Käse, Uhren etc., sieht das Abkommen einen höheren Schutz auf Antrag vor.
- Beim Innovationsschutz enthält das Abkommen Garantien, dass patentgeschützte Produkte, welche die Schweiz nach Indien exportiert, gegenüber lokal produzierten Produkten nicht diskriminiert werden können. Es beseitigt somit eine seit Jahren in Indien bestehende Rechtsunsicherheit, ohne dabei die im TRIPS-Abkommen vorgesehenen Möglichkeiten in Bezug auf Zwangslizenzen in Frage zu stellen. Zudem vereinfacht und verkürzt Indien das Widerspruchsverfahren bei Patenten sowie die in Indien obligatorischen Berichterstattungsverfahren.
- Schliesslich sieht das Abkommen vor, dass Grenzschutzmassnahmen beim Import wie auch beim Export für alle Rechte am geistigen Eigentum verfügbar sein müssen, zumindest auf Antrag über Gericht.
- Die Schweiz setzte sich im Rahmen der Verhandlungen für eine ausgewogene Lösung ein. Dazu gehört nicht nur die Rechtssicherheit beim geistigen Eigentum und die Förderung von innovativen Arzneimitteln, sondern auch der Zugang zu innovativen Arzneimitteln für die Indische Bevölkerung.
- Das Freihandelsabkommen stellt die im TRIPS-Abkommen vorgesehenen Möglichkeiten in Bezug auf Zwangslizenzen nicht in Frage. Vielmehr bekräftigt es diese, mit explizitem Verweis auf die «Doha Erklärung über das TRIPS-Abkommen der WTO und die öffentliche Gesundheit».
- Der entsprechende Artikel des Freihandelsabkommens zur öffentlichen Gesundheit bekräftigt zudem die TRIPS-Regelung über Zwangslizenzen für den Export patentgeschützter Medikamente in Länder, die über ungenügende Produktionskapazitäten verfügen. Diese Regelung kommt natürlich Exporten von Generika zugute.
- Das Freihandelsabkommen enthält zudem Vereinfachungen, die zu einem rascheren Abschluss der Patenterteilungsverfahren führen sollen. Das ist im Interesse aller: Auch Generikahersteller benötigen möglichst rasch Rechtssicherheit.
- Testdaten für Arzneimittel schützt das FHA gemäss TRIPS-Abkommen der WTO. Es schränkt den Zugang zu Medikamenten nicht ein.
- Indien ist die grösste Demokratie der Welt. Die Schweiz hat ein grosses Interesse, die Beziehungen mit diesem Land zu stärken und den bilateralen Dialog zu pflegen. Das Abkommen kann als zusätzliches Instrument für den Dialog dienen, auch über die genannten Themen.
- In der Präambel des Abkommens werden die internationalen Verpflichtungen der Parteien bekräftigt – insbesondere auch diejenigen unter der UN-Charta und der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte.
- Der Gemischte Ausschuss wird eine wichtige Plattform bieten, um Themen wie auch Menschen- und Arbeitsrechte mit Indien diskutieren zu können.
- Das FHA enthält ein umfassendes und rechtsverbindliches Kapitel zu Handel und Nachhaltiger Entwicklung.
- So enthält das Kapitel die zentrale und rechtlich bindende Verpflichtung, nicht von den in den Vertragsparteien geltenden Schutzniveaus bzgl. Arbeit und Umwelt abzuweichen, um Handel zu begünstigen.
- Weiter bekräftigen die Parteien ihre Verpflichtungen zur Umsetzung der internationalen Übereinkommen in den Bereichen Arbeit, Umwelt, Klimaschutz und Nicht-Diskriminierung, die sie ratifiziert haben.
- Das Kapitel enthält zudem robuste Mechanismen zur Beilegung von Meinungsverschiedenheiten (Unterausschuss zu Nachhaltigkeitsfragen, Konsultationsmechanismen).
- Es gab in den vergangenen 16 Jahren verschiedene Pausen in den Verhandlungen, die Schweiz und die EFTA-Staaten standen mit Indien aber in unterschiedlicher Intensität stets in Kontakt.
- Indien hat seine Freihandelspolitik in den letzten Jahren intensiviert und ein FHA mit den Vereinigten Arabischen Emiraten sowie ein «early harvest agreement» mit Australien abgeschlossen. Des Weiteren hat Indien Verhandlungen mit weiteren Partnern aufgenommen, darunter die EU und das Vereinigte Königreich.
- Diese neue Offenheit auf indischer Seite hat sich zusammen mit einer starken Initiative der Schweiz positiv auf den Prozess mit der EFTA ausgewirkt.
- Mit diesem neuen Kapitel ist man der Forderung Indiens entgegengekommen, mit dem FHA nicht nur den Handel zu erleichtern, sondern auch Investitionen in Indien zu fördern.
- Die EFTA Länder verpflichten sich, Investitionen in Indien zu fördern. Das Abkommen definiert in diesem Zusammenhang eine Reihe von Promotionsaktivitäten. Indien verpflichtet sich seinerseits, sich um die Schaffung bzw. Aufrechterhaltung eines günstigen Investitionsklimas zu bemühen.
- Als Anhaltspunkt werden zwei Zielgrössen definiert: Eine Zunahme von 100 Milliarden US-Dollar an Investitionen aus der EFTA sowie die damit verbundene Schaffung von 1 Million Arbeitsplätze in Indien über die nächsten 15 Jahre. Diese Zahlen beruhen u.a. auf ambitiösen Annahmen zum künftigen Wirtschaftswachstum in Indien. Sollte klar werden, dass diese zugrundeliegenden Annahmen nicht eintreffen, werden die Zielgrössen nachträglich nach unten korrigiert.
- Werden die Zielgrössen nicht erreicht, kann Indien nach einem mehrstufigen Konsultationsverfahren und frühestens 20 Jahre nach Inkrafttreten des Abkommens Zugeständnisse im Warenverkehr aussetzen. Die EFTA-Staaten ihrerseits können nach weiteren drei Jahren Konsultationen einberufen mit dem Ziel diese Massnahmen Indiens zu beenden.
- Es wird angestrebt, dass das Abkommen noch dieses Jahr mindestens in einer Parlamentskammer behandelt wird.
- Dies würde bedeuten, dass das Abkommen – unter der Voraussetzung, dass das fakultative Referendum nicht ergriffen wird und Indien seine internen Prozeduren abgeschlossen hat – ca. im Verlaufe des Herbst 2025 in Kraft treten wird.
Letzte Änderung 05.09.2024