Das Chemiewaffenübereinkommen (CWÜ) ist ein völkerrechtlich verbindlicher Abrüstungs- und Nonproliferationsvertrag, dessen Ziel die weltweite Ächtung chemischer Waffen ist. Seine Besonderheit liegt in seinem robusten Verifikationsregime, das dazu beiträgt, die Ziele des Übereinkommens zu erreichen.
Was sind chemische Waffen?
Chemiewaffen sind toxische Chemikalien und deren Vorläuferstoffe sowie Munition und Geräte zu deren Freisetzung. Als toxische Chemikalien gelten solche, die den Tod, eine vorübergehende Handlungsunfähigkeit oder Dauerschäden bei Mensch und Tier hervorrufen können. Vorläuferstoffe sind chemische Reaktionskomponenten, die an der Produktion einer toxischen Chemikalie auf irgendeiner Stufe beteiligt sind. Chemiewaffen gelten als Massenvernichtungswaffen und sind durch das CWÜ völkerrechtlich geächtet.
Zielsetzung
Das Übereinkommen verbietet die Entwicklung, die Herstellung, die Lagerung, die Weitergabe und den Einsatz von Chemiewaffen und verlangt die Vernichtung allfälliger Bestände durch seine Mitgliedstaaten.
Grundlagen
Nach dem verheerenden Einsatz von Chemiewaffen im Ersten Weltkrieg hatten sich die Vertragsstaaten des Genfer Protokolls bereits 1925 auf ein nach wie vor geltendes Verbot der Verwendung von erstickenden, giftigen oder ähnlichen Gasen sowie von bakteriologischen Mitteln im Krieg geeinigt. Mit dem Inkrafttreten des Chemiewaffenübereinkommens 1997 wurde dieses Verbot explizit auch auf die Entwicklung, die Herstellung, die Lagerung und die Weitergabe von Chemiewaffen ausgeweitet.
Das CWÜ ist völkerrechtlich verbindlich, die 193 Mitgliedstaaten sind verpflichtet, CWÜ-relevante Tätigkeiten zu deklarieren sowie Inspektionen auf ihrem Territorium zuzulassen. Die Einhaltung des Übereinkommens wird durch die Organisation für das Verbot chemischer Waffen (Organisation for the Prohibition of Chemical Weapons, OPCW) mit Sitz in Den Haag überwacht.
Grundsätzlich gilt jede toxische Chemikalie oder jeder Vorläuferstoff sowie jede für Waffenzwecke verwendete Chemikalie als verbotene Chemiewaffe (General Purpose Criterion) – es sei denn, sie wird für Aktivitäten verwendet, die vom CWÜ explizit erlaubt sind. Die Konvention schränkt somit nicht das Recht eines Vertragsstaates ein, Chemikalien für friedliche Zwecke herzustellen und zu verwenden. Zudem gibt es Chemikalien, welche ein besonderes Risiko darstellen und deshalb dem Verifikationsregime des CWÜ unterstehen. Die kontrollierten Chemikalien sind in drei Listen aufgeteilt, abhängig von ihrer Chemiewaffenrelevanz. Zusätzlich zu diesen gelisteten Chemikalien unterliegen auch bestimmte organische Chemikalien und Verbindungen Kontrollen durch das CWÜ. Die Australiengruppe, deren 42 Teilnehmerstaaten zugleich CWÜ-Vertragsstaaten sind, unterstützt die Umsetzung der CWÜ-Nichtverbreitungsverpflichtung durch international harmonisierte Exportkontrollen.
Neben den Industrieverifikationen unterstützt die OPCW Staaten bei der Vernichtung von Chemiewaffen. Bis heute wurden 98% der offiziell deklarierten Chemiewaffenbestände vernichtet. Allerdings gibt es nach wie vor OPCW-Mitgliedstaaten, welche ihre Chemiewaffenbestände noch nicht vollständig vernichtet haben. Darüber hinaus unterstützt die OPCW den Aufbau von nationalen Schutzprogrammen gegen chemische Waffen und von Kapazitäten, um auf den Einsatz von chemischen Waffen zu reagieren.
Zudem verfügt die OPCW seit 2018 über ein dauerhaftes Investigation and Identification Team (IIT). Dieses Gremium ging aus dem Joint Investigative Mechanism (JIM) hervor, welcher in Kooperation mit der UNO ins Leben gerufen worden war, um den Einsatz von Chemiewaffen in Syrien zu untersuchen und dessen Mandat 2017 auslief. Im Falle von mutmasslichen Chemiewaffeneinsätzen in Syrien nimmt das IIT eine Untersuchung vor und sammelt Informationen, die zur Identifikation des Ursprungs der chemischen Waffe beitragen. Die Ergebnisse der Untersuchungen werden in einem Bericht der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Auch im Falle der Attacken in Salisbury 2018 sowie auf Alexei Nawalny 2020 unterstützte die OPCW die Analyse der toxischen Chemikalien. 2013 wurde das Engagement der Organisation mit einem Friedensnobelpreis ausgezeichnet.
Konsequenzen für die Schweiz
Die Schweiz nimmt an der jährlichen Konferenz der Vertragsstaaten teil und hat, wie vom CWÜ gefordert, eine Nationale Behörde für dessen Umsetzung bezeichnet. Ihre Aufgabe ist es, bei der Kontrolle der Aktivitäten, welche durch das CWÜ nicht verboten werden, Unterstützung zu leisten.
Für die Industrie, welche solche Aktivitäten ausführt, gelten bestimmte Deklarations- und Inspektionspflichten. Der Export (unter spezifischen Bedingungen auch der Import oder die Herstellung) von gelisteten Chemikalien bedarf einer Bewilligung durch das SECO und die Ausfuhr gewisser Chemikalien an Nichtmitgliedstaaten ist verboten.
Inspektionen werden durch ein multinationales Inspektionsteam der OPCW durchgeführt, welches routinemässig die Vertragstreue der Mitgliedstaaten kontrolliert und zu diesem Zweck Firmen in allen Mitgliedstaaten besucht, die CWÜ-relevante Aktivitäten deklarieren. Diese jeweils kurzfristig angekündigten Inspektionen können Anlagebegehungen, die Überprüfung von Anlagebuchhaltungen und Analysen von Proben beinhalten. In der Schweiz werden diese Inspektionen durch ein Team der Bundesverwaltung unter der Leitung des SECO begleitet.
Letzte Änderung 09.09.2021