Die nachfolgenden Antworten beziehen sich auf Arbeits- vertragsverhältnisse des Privatrechts. Wir weisen darauf hin, dass in diesem Bereich nur der Zivilrichter befugt ist, im Streitfall eine Entscheidung zu treffen. Den nachfolgenden Antworten kommt deshalb die Bedeutung einer unverbindlichen Stellungnahme zu. Öffentlich-rechtliche Arbeitsverhältnisse wie Anstellungen in der Verwaltung oder in staatlichen Unternehmen unterstehen meist eigenen Regeln, sodass die nachfolgenden Antworten für sie nicht oder nur eingeschränkt gelten.
Arbeitsstunden, die die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit übersteigen, sind Überstunden. Welches die vertragliche Arbeitszeit ist, wird im Einzelarbeitsvertrag, in einem GAV oder allenfalls in einem NAV definiert. Fehlt eine vertragliche Bestimmung der Arbeitszeit, ist laut OR die «übliche Arbeitszeit» massgebend (Art. 321c Abs. 1 OR).
Auch bei Arbeitnehmenden, die in Teilzeit beschäftigt sind, kommt es auf die vertraglich abgemachte Arbeitszeit an. Arbeitsstunden, die darüber hinaus geleistet werden, gelten als Überstunden. Allerdings wird auf vertraglicher Basis oft festgelegt, dass nur Arbeitszeit, welche die betriebsübliche Arbeitszeit übersteigt, Anrecht auf eine Überstundenentschädigung gibt. Eine solche Vereinbarung ist rechtlich zulässig.
Grundsätzlich haben Arbeitnehmende nur das vertraglich vereinbarte Arbeitspensum zu verrichten. Ausnahmsweise sind sie jedoch zur Leistung von Überstunden verpflichtet, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind (Art. 321c Abs. 1 OR):
- Notwendigkeit:
Die Überstunden müssen notwendig sein, weil beispielsweise ausserordentlich viel Arbeit anfällt oder diese dringend ist. An dieser Voraussetzung fehlt es, wenn die Überstunden durch Beizug vorhandener Hilfskräfte oder bessere Organisation leicht vermieden werden könnten. - Keine Überforderung der physischen und psychischen Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers
Das Leisten von Überstunden darf keine Überforderung der physischen und psychischen Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers zur Folge haben. - Zumutbarkeit:
Überstunden müssen dem Arbeitnehmer nach Treu und Glauben zugemutet werden können. Ob diese Voraussetzung gegeben ist, hängt stark von den Verhältnissen des Einzelfalles ab. Bei Arbeitnehmenden in Teilzeit ist bei der Beurteilung der Zumutbarkeit zu beachten, dass sie neben der Teilzeitstelle noch andere Verpflichtungen haben können. - Einhaltung der Bestimmungen des Arbeitsgesetzes (ArG) über die Arbeits-
und Ruhezeiten:
Einzelheiten finden sich diesbezüglich insbesondere in den Art. 9 ff. ArG sowie Art. 13 ff. ArGV 1 oder im Merkblatt Arbeits- und Ruhezeiten unter folgenden Links:
Als Überzeit gilt die Arbeitszeit, die die gesetzliche Höchstarbeitszeit gemäss Arbeitsgesetz überschreitet (demgegenüber geht es bei den Überstunden um die Überschreitung der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit). Das Arbeitsgesetz erlaubt in industriellen Betrieben, für Büropersonal, technische und andere Angestellte sowie Verkaufspersonal in Grossbetrieben des Detailhandels (bei mehr als 50 Arbeitnehmenden) maximal 45 Arbeitsstunden pro Woche. In den übrigen Betrieben beträgt die Höchstarbeitszeit 50 Stunden pro Woche (Art. 9 ArG).
Ein Beispiel: Ein Arbeitnehmer in einem industriellen Betrieb leistet in einer bestimmten Woche 52 Arbeitsstunden. Da die Höchstarbeitszeit nach Art. 9 ArG 45 Stunden beträgt, hat dieser Arbeitnehmer 7 Stunden Überzeit geleistet. Wenn wir von einer vertraglichen Arbeitszeit von 40 Stunden pro Woche ausgehen, kommen noch 5 Überstunden dazu.
Überzeitarbeit und Überstundenarbeit unterscheiden sich dadurch, dass die Entschädigung für die Überstundenarbeit durch schriftlichen Vertrag wegbedungen werden kann, die Entschädigung für die Überzeitarbeit hingegen nicht. Allerdings sieht das Arbeitsgesetz eine Einschränkung für das Büropersonal, die technischen und anderen Angestellten sowie das Verkaufspersonal in Grossbetrieben des Detailhandels vor: Eine gesetzliche Entschädigungspflicht besteht hier nur, wenn die Überzeitarbeit mehr als 60 Stunden im Jahr ausmacht (Art. 13 Abs. 1 ArG).
Abzugelten sind:
- geleistete Überstunden, die vom Arbeitgeber ausdrücklich angeordnet wurden (unabhängig davon ob sie notwendig waren oder nicht), sowie
- geleistete Überstunden, die vom Arbeitgeber nicht ausdrücklich angeordnet wurden, sofern sie notwendig waren oder vom Arbeitnehmer nach Treu und Glauben als notwendig betrachtet werden durften (der Arbeitnehmende muss allerdings den Arbeitgeber darüber informieren). Dies ist auch dann der Fall, wenn der Arbeitgeber die Leistung von Überstunden widerspruchslos entgegennimmt.
Es gibt jedoch keine Abgeltung, wenn:
- diese durch schriftliche Vereinbarung zwischen den Parteien ausgeschlossen wurde, oder
- ein allenfalls auf sie anwendbarer GAV oder NAV einen Ausschluss vorsieht.
Bei Arbeitnehmern in einer Kaderstellung ist die Arbeitszeit meistens nicht exakt nach Stunden definiert. Man geht davon aus, dass die Leistung eines höheren Pensums durch den höheren Lohn abgegolten wird, wobei dies vertraglich zu regeln ist.
Es kann auch schriftlich vereinbart werden, dass die Überstunden ohne Zuschlag entschädigt werden, oder mit einem niedrigeren als 25%igen Zuschlag (selbstverständlich ist auch ein höherer Zuschlag zulässig).
Soweit es um Überzeitarbeit geht, kann die Abgeltung nicht vertraglich ausgeschlossen werden.
Es gibt folgende Möglichkeiten:
- Vergütung des vereinbarten Lohns plus Zuschlag von mindestens 25 % (Art. 321c Abs. 3 OR)
- Ausgleich durch Gewährung von Freizeit von mindestens gleicher Dauer, wenn Arbeitnehmer und Arbeitgeber damit einverstanden sind. Bei der Kompensation mit Freizeit ist ein Zuschlag vom Gesetz nicht vorgesehen. Zulässig ist diese Kompensation, wenn sie entweder bereits im Arbeitsvertrag vorgesehen ist, oder ohne solche Vertragsklausel, wenn der Arbeitnehmer damit einverstanden ist, dass die Überstunden statt durch eine Geldzahlung mittels Zeitkompensation entschädigt werden (Art. 321c Abs. 2 OR).
- Durch schriftliche Vereinbarung, durch NAV oder durch GAV kann auch eine andere Lösung getroffen werden. So kann der Zuschlag von 25% oder auch die volle Entschädigung für Überstunden wegbedungen werden.
Letzte Änderung 10.01.2022