Die nachfolgenden Antworten beziehen sich auf Arbeits- vertragsverhältnisse des Privatrechts. Wir weisen darauf hin, dass in diesem Bereich nur der Zivilrichter befugt ist, im Streitfall eine Entscheidung zu treffen. Den nachfolgenden Antworten kommt deshalb die Bedeutung einer unverbindlichen Stellungnahme zu. Öffentlich-rechtliche Arbeitsverhältnisse wie Anstellungen in der Verwaltung oder in staatlichen Unternehmen unterstehen meist eigenen Regeln, sodass die nachfolgenden Antworten für sie nicht oder nur eingeschränkt gelten.
Es sind zwei Fälle zu unterscheiden:
Es besteht eine Krankentaggeldversicherung:
Der Abschluss einer Krankentaggeldversicherung ist vom Gesetz her nicht vorgeschrieben, wird jedoch zum Vorteil beider Vertragsparteien häufig im Arbeitsvertrag vorgesehen. Die meisten Krankentaggeldversicherungen geben einen Anspruch auf 80% des Lohnes während 720 oder 730 Tagen innert 900 Tagen. Für die Leistungspflicht der Taggeldversicherung sind immer die Versicherungspolice und die Allgemeinen Versicherungsbedingungen massgebend. Selbstverständlich ist es auch möglich, dass die Versicherungspolice ein Taggeld von 100% des Lohnes vorsieht.
Die dem Arbeitgeber vom Gesetz auferlegte Lohnfortzahlungspflicht im Krankheitsfall ist dann abgegolten, wenn die Versicherungslösung mindestens gleichwertig ist. Nach der Gerichtspraxis sind vertragliche Abmachungen zulässig, wonach der Arbeitgeber während einigen wenigen Karenztagen keinen Lohn zahlen muss (je nach Gericht 1 - 3 Karenztage). Taggelder von 80% des Lohnes während 720 Tagen gelten als gleichwertig wie die gesetzliche Lohnfortzahlung, welche zwar 100% Lohn vorsieht, jedoch für eine viel kürzere Zeitspanne. Für die Gleichwertigkeit ist ferner vorausgesetzt, dass der Arbeitgeber mindestens die Hälfte der Versicherungsprämie bezahlt. Jedoch: Die Gleichwertigkeit wird allgemein beurteilt; es kommt also nicht darauf an, ob der Arbeitnehmer im einzelnen Krankheitsfall besser fährt.
Von den Taggeldern müssen keine Abzüge für AHV/IV/EO-Prämien gemacht werden. Bei der Pensionskasse tritt meistens nach einigen Monaten Krankheit eine Prämienbefreiung ein.
Es besteht keine Krankentaggeldversicherung:
- Regelung gemäss OR:
Das Gesetz(Art. 324a Abs. 1 OR) bestimmt, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer im Krankheitsfall den vollen Lohn für eine bestimmte Dauer pro Dienstjahr zu bezahlen hat, sofern das Arbeitsverhältnis bereits mehr als drei Monate gedauert hat oder für mehr als drei Monate eingegangen wurde. Im ersten Dienstjahr hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer den Lohn für mindestens 3 Wochen und nachher angemessen länger zu entrichten (Art. 324a Abs. 2 OR). Die Lohnzahlung beträgt 100% ab dem ersten Krankheitstag (keine Karenztage). Zur Dauer s. unten (Tabelle). - Im Arbeitsvertrag, GAV oder NAV kann eine längere Dauer für die Lohnfortzahlungspflicht vorgesehen werden.
- Sofern GAV oder NAV keine für die Arbeitnehmenden günstigere Regelung enthalten, wenden die Gerichte folgende Skalen zur Bestimmung der genauen Dauer an.
Basler Skala BS, BL |
Berner Skala BE, AG, OW, SG, West-CH |
Zürcher Skala ZH, GR |
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1. Dienstjahr | 3 Wochen | 3 Wochen | 3 Wochen |
2. Dienstjahr | 2 Monate | 1 Monat | 8 Wochen |
3. Dienstjahr | 2 Monate | 2 Monate | 9 Wochen |
4. Dienstjahr | 3 Monate | 2 Monate | 10 Wochen |
5. Dienstjahr | 3 Monate | 3 Monate | 11 Wochen |
6. Dienstjahr | 3 Monate | 3 Monate | 12 Wochen |
7. Dienstjahr | 3 Monate | 3 Monate | 13 Wochen |
8. Dienstjahr | 3 Monate | 3 Monate | 14 Wochen |
9. Dienstjahr | 3 Monate | 3 Monate | 15 Wochen |
10. Dienstjahr | 3 Monate | 4 Monate | 16 Wochen |
11. Dienstjahr | 4 Monate | 4 Monate | 17 Wochen |
Der Anspruch auf Lohnfortzahlung wird pro Dienstjahr berechnet und beginnt mit jedem Dienstjahr von Neuem. Mehrere Absenzen im gleichen Jahr werden zusammengezählt.
Zur Lohnfortzahlung gehört nicht nur das Fixum, sondern auch alle weiteren Lohnbestandteile, sofern diese ohne Arbeitsunfähigkeit angefallen wären. Bei unregelmässigem Lohn wird auf eine repräsentative Periode von bis zu einem Jahr abgestellt.
Die gesetzliche Lohnfortzahlung darf nicht vertraglich wegbedungen werden.
Beweispflichtig ist der Arbeitnehmer. Er hat dem Arbeitgeber auf sein Verlangen ein Arztzeugnis einzureichen, aus welchem ersichtlich sein muss, ob der Arbeitnehmer ganz oder teilweise arbeitsunfähig ist. Bei teilweiser Arbeitsunfähigkeit muss das Ausmass der Einschränkung angegeben werden, z.B. wie viele Stunden Arbeitstätigkeit pro Tag zumutbar sind. Eine Diagnose soll das Arztzeugnis nicht enthalten.
Grundsätzlich haben Arbeitgeber das Recht, ein Arztzeugnis bereits ab dem ersten Tag der Arbeitsunfähigkeit zu verlangen. Viele Arbeitsverträge schreiben jedoch ein Arztzeugnis erst ab dem 3. oder 4. Tag der Arbeitsunfähigkeit vor. Bei länger dauernder Arbeitsunfähigkeit ist der Arbeitnehmer verpflichtet, unaufgefordert periodisch neue Arztzeugnisse einzureichen. Krankentaggeldversicherung begnügen sich - vor allem bei länger dauernder Arbeitsunfähigkeit - oft nicht mit Zeugnissen des behandelnden Arztes, sondern ordnen eine vertrauensärztliche Untersuchung an. Dieses Recht steht auch dem Arbeitgeber zu, wenn er die Lohnfortzahlung leistet. Der Vertrauensarzt darf der Versicherung und dem Arbeitgeber nur Auskunft über die Arbeitsfähigkeit geben, keinesfalls aber über die medizinische Diagnose. Die Kosten der vertrauensärztlichen Untersuchung gehen zu Lasten der Versicherung bzw. des Arbeitgebers.
Arbeitnehmende haben gemäss Artikel 329h OR Anspruch auf bezahlten Urlaub für die Betreuung eines Kindes, der Ehegattin bzw. des Ehegatten oder der eingetragenen Partnerin bzw. des eingetragenen Partners, wenn diese gesundheitlich beeinträchtigt sind. Die Betreuung wird auch bei Eltern, Geschwistern sowie Personen, mit denen die pflegende Person seit mindestens fünf Jahren ohne Unterbruch einen gemeinsamen Haushalt führt, anerkannt (Siehe die Frage:«Eine nahestehende Person ist gesundheitlich beeinträchtigt. Habe ich Anspruch auf Urlaub, um sie zu pflegen, ohne dafür Ferientage beziehen zu müssen?» ). Der Urlaub ist auf die Zeit beschränkt, die zur Betreuung notwendig ist, beträgt jedoch höchstens drei Tage pro Ereignis und höchstens zehn Tage pro Dienstjahr.
Handelt es sich um die Betreuung der Kinder, der Ehegattin bzw. des Ehegatten oder der eingetragenen Partnerin bzw. des eingetragenen Partners, haben Arbeitnehmende aber auch Anspruch auf einen Urlaub gemäss Art. 36 Abs. 3 und 4 des Arbeitsgesetzes (ArG) in Verbindung mit Art. 324a OR.
Auf Vorlage eines ärztlichen Zeugnisses hat der Arbeitgeber Arbeitnehmenden mit gesetzlicher Unterhaltspflicht die für die Betreuung des gesundheitlich beeinträchtigten Familienmitglieds notwendige Zeit zu gewähren. Der Urlaub ist auf die für die Betreuung erforderliche Dauer begrenzt und beträgt höchstens drei Tage pro Ereignis und zehn Tage pro Jahr. Die Beschränkung auf höchstens zehn Tage pro Jahr gilt allerdings nicht für die Betreuung von Kindern (Art. 36 Abs. 3 und 4 ArG).
Diese Befreiung von der Arbeitspflicht ist - bezüglich des Lohnes - einer Verhinderung der Arbeitsleistung ohne Verschulden der arbeitnehmenden Person im Sinne von Art. 324a OR gleichzusetzen. Somit besteht bei einer gesundheitlichen Beeinträchtigung des Kindes, der Ehegattin bzw. des Ehegatten oder der eingetragenen Partnerin bzw. des eingetragenen Partners eine Lohnfortzahlungspflicht für eine beschränkte Zeitdauer gemäss denselben Regeln, die auch bei Krankheit von nicht versicherten Arbeitnehmenden gelten (siehe vorherige Frage: Wie lange erhält der Arbeitnehmer Lohn bei Krankheit?). Die Lohnfortzahlungspflicht besteht jedoch nur solange, bis eine adäquate Ersatzlösung gefunden wird oder – im Falle gesundheitlich beeinträchtigter Kinder – die Betreuung durch die Eltern aus medizinischen Gründen nicht mehr als notwendig erachtet wird.
Wenn ein Urlaub sowohl nach Art. 329h OR als auch nach Art. 324a OR möglich wäre, könnten Arbeitnehmende, die beispielsweise mehrere Kinder haben, von dem in Art. 324a OR vorgesehenen Kontingent Urlaubstage beziehen, ohne dabei das Kontingent gemäss Art. 329h OR anzubrauchen. Sie könnten ausserdem nach Ende des maximal dreitägigen Urlaubs gemäss Art. 329h OR einen weiteren Urlaub gemäss Art. 324a OR beziehen. In solchen Fällen müssen jedoch die Voraussetzungen von Art. 324a OR erfüllt sein, insbesondere darf die zulässige Anzahl Tage pro Jahr noch nicht aufgebraucht sein.
Ein 14-wöchiger Urlaub wird berufstätigen Eltern gewährt, deren Kind wegen Krankheit oder Unfall gesundheitlich schwer beeinträchtigt ist. Anknüpfungspunkt für das Eltern-Kind-Verhältnis bildet dabei das Kindesverhältnis nach Artikel 252 ZGB. Der Zivilstand der Eltern ist folglich unerheblich.
Gemäss Artikel 16o des Erwerbsersatzgesetzes (EOG) ist ein Kind gesundheitlich schwer beeinträchtigt, wenn:
- eine einschneidende Veränderung seines körperlichen oder psychischen Zustandes eingetreten ist;
- der Verlauf oder der Ausgang dieser Veränderung schwer vorhersehbar ist oder mit einer bleibenden oder zunehmenden Beeinträchtigung oder dem Tod zu rechnen ist;
- ein erhöhter Bedarf an Betreuung durch die Eltern besteht, und
- mindestens ein Elternteil in einem Arbeitsverhältnis steht oder selbständigerwerbend ist und die Erwerbstätigkeit
für die Betreuung des Kindes unterbricht.
Die gesundheitliche Beeinträchtigung des Kindes ist mit einem ärztlichen Attest zu bescheinigen.
Dauer des Urlaubs: Der Betreuungsurlaub beträgt maximal 14 Wochen und ist innerhalb einer Rahmenfrist von 18 Monaten zu beziehen. Die Rahmenfrist beginnt mit dem Tag, für den das erste Taggeld bezogen wird. Der Urlaub kann am Stück oder wochen- oder tageweise bezogen werden.
Der Betreuungsurlaub wird auch gewährt, wenn nur ein Elternteil erwerbstätig ist oder wenn ein Elternteil oder beide Eltern Teilzeit arbeiten. Wenn beide Eltern erwerbstätig sind, so hat jeder Elternteil Anspruch auf einen Betreuungsurlaub von sieben Wochen. Sie können jedoch auch eine abweichende Aufteilung des Urlaubs vereinbaren. Es ist auch möglich, dass die Eltern ihren Anteil am Urlaub gleichzeitig beziehen. Der Arbeitgeber muss die Änderung der Aufteilung nicht genehmigen, ist aber über die Modalitäten des Urlaubsbezugs zu informieren.
Entschädigung des Urlaubs: Die Betreuungsentschädigung erfolgt in Form von Taggeldern. Das Taggeld beträgt 80 Prozent des durchschnittlichen Bruttoeinkommens vor dem Beginn des Betreuungsurlaubs, höchstens jedoch 196 Franken pro Tag.
Die Anspruchsvoraussetzungen sowie das Anmeldungs- und Auszahlungsverfahren sind im Bundesgesetz über den Erwerbsersatz (EOG) und der Verordnung (EOV) festgelegt.
EO bei Betreuung von gesundheitlich schwer beeinträchtigten Kindern (admin.ch)
Es gibt zwei Regelungen, die aufgrund der Art des Leistungshindernisses bzw. des Ereignisses zur Anwendung kommen.
Verhindert durch Ereignisse (ohne Verschulden), die: |
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den Arbeitnehmer speziell betreffen (subjektiv) |
einen grösseren Personenkreis betreffen (objektiv) | |
Gründe | im Gesetz aufgeführte Gründe
weitere Gründe (nicht abschliessende Aufzählung):
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Beispiele:
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Rechtsfolge |
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Der Arbeitnehmer hat grundsätzlich das Risiko selber zu tragen, d.h. für den Arbeitgeber besteht keine Lohnzahlungspflicht. Hat die Arbeitsverhinderung ihren Grund jedoch nicht in der Person des Arbeitnehmers, sondern in betrieblichen Umständen (z.B. Auftragsmangel, Maschinendefekt, Brand), so fällt dies in das Betriebsrisiko des Arbeitgebers, mit der Folge, dass dieser den Lohn trotz Ausfalls der Arbeit dennoch bezahlen muss. |
Letzte Änderung 10.01.2022