Falschaussagen im Artikel der NZZ am Sonntag «Wie das SECO die Russen hofierte» vom 10. April 2022
Stellungnahme des SECO vom 12. April 2022
Die NZZ am Sonntag unterstellt dem SECO und seinen Mitarbeitenden Befangenheit. Sie wirft dem SECO vor, es sei zu Russland freundlich und verzögere daher bewusst die Umsetzung der Sanktionen. Die Unterstellungen der NZZ am Sonntag sind haltlos und entbehren jeder sachlichen Grundlage.
Es gab und gibt im SECO keine Interessenkonflikte bezüglich der Umsetzung der Sanktionen gegenüber Russland. Die Mitarbeitenden des SECO sind unabhängig, professionell und unbefangen.
Damit sich die Öffentlichkeit ein Bild über die Antworten des SECO machen kann, publizieren wir sie untenstehend.
Folgende Aussagen sind falsch:
1. «[…] Das Beispiel zeigt, das Seco steckt in einem Dilemma. Laut seinem Kernauftrag muss es die Wirtschaft fördern, unter anderem auch Aussenbeziehungen pflegen.[…]»
Das SECO steckt in keinem Dilemma. Die Schweiz ist eine Exportnation und braucht eine geografische Diversifizierung. Unsere Wirtschaftsbesuche decken alle Regionen der Welt ab. Staatssekretärin Marie-Gabrielle Ineichen-Fleisch und Botschafter Erwin Bollinger haben deshalb u.a. sowohl Russland als auch die Ukraine besucht und Gespräche zu den Wirtschaftsbeziehungen geführt.
Die Abwägung von aussenwirtschaftlichen und aussenpolitischen Kriterien bei Sanktionen sind überdies wichtig. Deshalb ist die Umsetzung von Sanktionen in den meisten Ländern bei den Wirtschafts- oder Finanzministerien angesiedelt, kaum je bei einer polizeilichen Behörde. Das SECO übt im Sanktionsrecht eine Vollzugs- und Kontrollaufgabe aus.
2. «Bei diesen Entscheiden kann auch das Aussendepartement mitreden. Bei Uneinigkeit entscheidet der Gesamtbundesrat. In der Vergangenheit sei es immer wieder vorgekommen, dass sich bei solchen Fragen das Seco gegen das EDA durchsetzte, sagen Insider. Bekannt ist ein Fall von 2016, bei dem es um fünf Warenlieferungen nach Russland im Umfang von 11 Millionen Franken ging. Sie wurden bewilligt. »
Für den Export kontrollierter Güter gelten klare Verfahren. Diese sehen vor, dass der Bundesrat bei Uneinigkeit über ein Geschäft entscheidet, so wie im beschriebenen Fall. Die Behauptung, dass sich ein Amt gegen ein anderes durchsetzt, ist also falsch, da in solchen Fällen nicht die Ämter, sondern der Gesamtbundesrat entscheidet auf Grund der ihm vorgelegten Entscheidungselemente.
3. « […] Einer, der sich gut in der Materie auskennt, ist der Basler Strafrechts- und Korruptionsexperte Mark Pieth. Er ortet im Verhalten des Seco «entweder Inkompetenz oder politischen Unwillen». […]»
Wir sind erstaunt über die Qualifizierung von Herrn Pieth. Dieser hat nie mit dem SECO Kontakt aufgenommen. Seine Aussagen beziehen sich zudem auf ein UNO-Sanktionsregime, das die Schweiz damals noch vor der UNO Mitgliedschaft voll umgesetzt hat.
4. «Er hat vor rund 20 Jahren für die Uno Sanktionsumgehungen im Zusammenhang mit dem Irak untersucht und das Seco als passiv erlebt. «Wir mussten die Nachforschungen selber vornehmen, das Seco hat am Ende lediglich die Formulare abgestempelt. »
Das im Rahmen des Uno-Sanktionsregime umgesetzte Oil for Food-Programm ist von dem Independent Inquiry Committees (IIC) auf internationaler Ebene untersucht worden. Der Schlussbericht des IIC von 2005 bescheinigt, dass das SECO die Untersuchungen des IIC in der Schweiz von Beginn weg vollumfänglich und aktiv unterstützt hat und zur Aufklärung der Missstände (illegale Zahlungen, Bestechung, Korruption) bei der Abwicklung des Oil for Food-Programms beigetragen hat.
5. «Das Seco muss selbst aktiv untersuchen, wie die Sanktionen umgesetzt werden können.»
Wenn dem SECO konkrete Hinweise zur Kenntnis gebracht werden, geht es den Hinweisen aktiv nach. Es besteht jedoch kein Generalverdacht per se gegenüber allen Wirtschaftsakteuren.
Vollständiger Fragenkatalog der NZZ am Sonntag, welcher durch das SECO am 8. April 2022 beantwortet wurde:
1. Wie viele Mitarbeitende hat das Seco? Und wie viele davon sind mit der Um- bzw. Durchsetzung von Sanktionen betraut? Wie viele explizit mit den Sanktionen im Zusammenhang mit der Situation in der Ukraine?
2. Wurde oder wird das Stellenetat im Rahmen dieser Sanktionen ausgebaut? Wann, in welchem Umfang?
Ja, wir haben uns intern verstärkt. Allein im Bereich Sanktionen gegen Russland arbeiten im Moment 8 bis 10 zusätzliche Leute mit.
Das SECO hat nicht zuletzt in der Pandemie gelernt, wie wir unsere Ressourcen in einer Krise effizient nutzen können: Das SECO hat seine Ressourcen auch für diese Situation umorganisiert und eine interne Task Force auf die Beine gestellt: Eine Person kümmert sich ausschliesslich um die eingehenden Meldungen von gesperrten Vermögenswerten, eine Gruppe um die Erarbeitung der Rechtstexte. Mit der Umsetzung von Sanktionen im zuständige Ressort sind derzeit 10 Personen beschäftigt, plus die genannte Verstärkung von bis zu 10 Personen. Aber natürlich werden aufgrund der aktuellen Situation SECO intern weitere Personen hinzugezogen, wenn es weiteres Fachwissen oder Unterstützung braucht. Eine weitere SECO-Gruppe kümmert sich um die telefonischen und schriftlichen Anfragen der von Sanktionen betroffenen Unternehmen; diese Hotline wurde gleich zu Beginn der Sanktionen installiert. Dieses Team wird bei Bedarf durch weitere Personen unterstützt. Zur Umsetzung der Sanktionen stehen dem SECO also genügend Ressourcen zur Verfügung.
3. Wo (in welchem Gesetz, welcher Verordnung) genau ist die Zuständigkeit des Seco für diese Sanktionen generell geregelt? Wann und in welchem Zusammenhang hat der Bundesrat dies entschieden?
Die Zuständigkeiten sind jeweils direkt in den Sanktionsverordnungen geregelt, beispielsweise in Artikel 31 der Verordnung über Massnahmen im Zusammenhang mit der Situation in der Ukraine. https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/2022/151/de#sec_5
4. Hat das Seco seit dem Entscheid zur Übernahme der Sanktionsmassnahmen im Zusammenhang mit der Situation in der Ukraine anderen Staaten in diesem Kontext Rechtshilfe geleistet? Oder um Rechtshilfe ersucht im Ausland? Wie oft und im Zusammenhang mit welchen Personen/Firmen?
Zu laufenden Verfahren gibt das SECO keine Auskunft.
5. Wie viele Gelder und Vermögenswerte hat das Seco im Rahmen in der Zwischenzeit insgesamt gesperrt? Wie viele Liegenschaften sind darunter, in welcher Höhe liegt ihr Wert?
Stand 7. April 2022 sind ca. CHF 7.5 Milliarden Vermögenswerte in der Schweiz gesperrt. Damit hat die Schweiz so viel Geld gesperrt wie noch kaum ein anderes Land in Europa. Zudem sind aktuell dem SECO schweizweit 11 Liegenschaften gemeldet worden.Derzeit sind 874 natürliche Personen und 62 Unternehmen und Organisationen in Anhang 8 der Verordnung über Massnahmen im Zusammenhang mit der Situation in der Ukraine aufgeführt, analog der Liste der EU. Wobei von den Personen nur die wenigsten in der Schweiz wohnhaft sind.
6. Forscht das Seco in der Zwischenzeit auch aktiv nach solchen Vermögenswerten oder überlässt man das nach wie vor den Kantonen und Privaten? Warum?
Das SECO ist für den Vollzug und die Überwachung von Sanktionen in der Schweiz zuständig. Dazu arbeiten wir mit sehr vielen Bundesstellen eng zusammen (SIF, EDA, SEM, BJ, fedpol, BAZG, BA). Daneben bestehen Kontakte mit kantonalen Stellen und Branchenverbänden. Gemäss der Verordnung sind Gelder und sonstige Vermögenswerte, die sich im Eigentum oder unter der Kontrolle von sanktionierten Personen, Unternehmen oder Organisationen befinden, gesperrt. Es obliegt den Finanzintermediären und weiteren Unternehmen im Einzelfall und im Rahmen des Prinzips «Know your Customer» abzuklären, ob sich Gelder oder sonstige Vermögenswerte im Eigentum oder unter der Kontrolle von sanktionierten Personen, Unternehmen oder Organisationen befinden. Die heute geltenden 24 Sanktionsregimes zeigen, dass die Prozesse im Bereich der Sanktionen zwischen den Behörden und privaten Unternehmen gut eingespielt sind. Dies zeigt auch die sehr hohe Summe an bereits gesperrten Vermögenswerten. Banken, Finanzdienstleister und ähnliche Unternehmen, aber auch Behörden wissen über die Umsetzung der Sanktionen Bescheid. Die Schweizer Behörden erwarten von Schweizer Unternehmen, dass Sie sich an die Schweizer Rechtsordnung – inkl. Sanktionen – halten. Erhalten die Schweizer Behörden Hinweise auf Vermögenswerte, die gesperrt werden müssten, so gehen sie diesen selbstverständlich nach. Das SECO sucht auch den regelmässigen Kontakt mit Verbänden, Unternehmen, Complianceverantwortlichen und anderen potentiell betroffenen Stellen. Gemäss dem Embargogesetz liegt die Strafverfolgung bei allfälligen Verstössen gegen das Embargogesetz beim SECO im Rahmen des Verwaltungsstrafrechts. Die Höchststrafen betragen 1 Jahr Gefängnis bzw. 500’000.- Busse; in schweren Fällen 5 Jahr Gefängnis bzw. 1 Mio. Franken Busse. Besonders schwere Fälle kann das SECO der Bundesanwaltschaft übergeben.
7. In der SRF-Sendung Reporter vom 23.3. wird das Seco damit zitiert, man habe eine «kleine Taskforce» errichtet. Wie viele Personen umfasst diese? Besteht diese auch aus Vertreterinnen und Vertreter anderer Bundesstellen (zB EFD, Bundesanwaltschaft, Finma) oder gar Kantone? Oder ist die Bildung einer solchen Taskforce geplant?
Siehe Antwort 2 und 6.
8. Würde das Seco eine Beteiligung an der internationalen Task-Force begrüssen, die von den USA und europäischen Alliierten gegründet wurde, um Vermögenswerte sanktionierter Russinnen und Russen aufzuspüren? Bestünde dafür die rechtliche Grundlage?
Wir haben von der Lancierung der multilateralen Task Force zum Austausch von Informationen und Abstimmung von Massnahmen im Zusammenhang mit der Sanktionen gegen russische Eliten («REPO») Kenntnis genommen. Aufgrund der übergreifenden politischen Fragen ist das Eidg. Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) für die Beantwortung dieser Frage zuständig. Hingegen führt das SECO mit dem Europäischen Auswärtigen Dienst und der Europäischen Kommission einen regelmässigen Dialog im Bereich Sanktionen. Beim jüngsten Treffen lag der Fokus auf der Umsetzung von Sanktionen im Zusammenhang mit der russischen Aggression gegen die Ukraine. Darüber hinaus ist das SECO von der Europäische Kommission im Rahmen der EU-Taskforce eingeladen worden, am 4. April 2022 an einem Austausch mit Mitgliedstaaten und anderen gleichgerichteten Drittstaaten über die Umsetzung von Massnahmen zum Einfrieren von Vermögenswerten teilzunehmen. Die EU Kommission hat bei dieser Gelegenheit ausdrücklich festgehalten, dass sie den Beitrag der Schweiz sehr begrüsst. Die EU Kommission hat zudem bekräftigt, dass sie die Schweiz weiterhin zur Teilnahme an Sitzungen zur Umsetzung von Sanktionen im Rahmen der Freeze-and-Seize-Taskforce auf Ad-hoc-Basis einladen wird, um die Wirksamkeit der Sanktionsdurchsetzung in ganz Europa zu stärken. Der Austausch mit ausländischen Behörden (nicht nur EU, auch USA) ist möglich unter den im Embargogesetz festgehaltenen Voraussetzungen (zum Vollzug des Embargogesetzes erforderlich, Gegenrecht, Einhaltung des Amtsgeheimnisses).
9. Verschiedentlich reiste Seco-Direktorin Marie-Gabrielle Ineichen-Fleisch in der Vergangenheit nach Russland, um für guten Handelsbeziehungen zu werben. Unter anderem war sie Gast am Saint Petersburg International Economic Forum beim traditionellen Frühstück der Sberbank an dem laut ihren Communiqueé «das who-is-who der Russischen Wirtschaftselite», dabei war. Hat sich Frau Ineichen-Fleisch dort (oder bei anderer Gelegenheit) auch mit Personen getroffen, die nun auf der Sanktionsliste stehen?
Die Staatssekretärin des SECO hat im Juni 2019 eine Wirtschaftsmission nach Russland geleitet und wurde dabei von einer Wirtschaftsdelegation begleitet. Der Fokus ihrer Mission lag auf der Pflege der Beziehungen zu den für die Schweizer Privatwirtschaft relevanten russischen Ministerien. Bei den Arbeitstreffen erwähnte sie namentlich die Schwierigkeiten, mit denen die Schweizer Unternehmen in Russland konfrontiert sind, wie die Notwendigkeit der Lokalisierung der Produktion, die hohen bürokratischen Hürden, Rechtsunsicherheit infolge von rasch ändernder Gesetzgebung sowie Probleme bei der Exporttätigkeit. Diese Anliegen nahm sie u.a. mit dem damaligen Wirtschaftsentwicklungsminister Oreshkin sowie dem Stv. Industrie- und Handelsminister Gruzdev auf. Im Rahmen des St. Petersburg International Economic Forum trat sie mit hochrangigen Regierungsvertretern anderer Staaten an mehreren Panels auf, welche zum Teil von der Schweiz organisiert wurden.
10. Vor diesem Hintergrund: Ist das Seco und/oder deren Chefin befangen, wenn es um Sanktionen gegen russische Personen oder Firmen geht, zu denen man in der Vergangenheit persönlich Kontakt hatte und gute Beziehungen aufbauen wollte?
Nein, das SECO und /oder deren Chefin sind weder vor diesem Hintergrund noch überhaupt befangen, wenn es um Sanktionen gegen russische Personen oder Firmen geht. Die wirtschaftliche Interessenwahrung im Ausland ist eine der Aufgaben der Staatssekretärin für Wirtschaft. Dazu gehören auch die Kontaktpflege sowie die Wahrnehmung von repräsentativen Aufgaben. Die Mitarbeitenden des SECO sind sich gewohnt, dabei professionell vorzugehen.
11. Inwiefern lässt sich generell die Doppelaufgabe des Seco von Wirtschaftsförderung auf der einen Seite mit Wirtschafssanktionen auf der anderen Seite vereinbaren?
Wirtschaftssanktionen sind Teil der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, wofür das SECO zuständig ist.
Das SECO ist für ein sehr breites Spektrum von Themen zuständig, in denen es jeweils mit anderen betroffenen Bundesstellen sowie weiteren interessierten Kreisen eng zusammenarbeitet. Zu nennen sind bspw. die Wirtschaftspolitik, die Arbeitsmarktpolitik, die Standortförderung, die Aussenwirtschaftspolitik einschliesslich die wirtschaftliche Zusammenarbeit.
Stellungnahme des SECO auf den Artikel im Blick Online «Jede Beiz ein Härtefall!» vom 09.01.2021Im Blick Online vom 09.01.2021 wird die Aussage gemacht, dass die beiden Chefbeamten des SECO, Boris Zürcher, Leiter der Direktion für Arbeit und Eric Scheidegger, Leiter der Direktion für Wirtschaftspolitik, bei der Erstellung der COVID-Hilfsmassnahmen des Bundes aus ideologischen Gründen die Arbeit verweigern. Diese Aussage ist falsch. Zudem hat der Blick einmal mehr dem SECO keine Möglichkeit gegeben, zu diesen unhaltbaren Vorwürfen Stellung zu nehmen, was eindeutig gegen die journalistische Ethik verstösst. Beide Chefbeamten sowie alle Mitarbeitenden des SECO haben seit Beginn der Krise aktiv an der Erstellung der Massnahmen des Bundesrates mitgearbeitet und konstruktive Vorschläge eingebracht. Sie werden dies auch künftig tun.